Geschichte von Oberegg

Oberegg, ein typisches Straßendorf von 2,5 km Länge, liegt zwischen 736 und 752 m über Meereshöhe, besitzt 139 Häuser und zählt 438 Einwohner. Die Geschichte des Ortes ist eng mit dem Nachbardorf Unteregg verbunden. Erste Siedlungshinweise gab eine im Jahre 1975 in einer Feuerstätte aufgefundene Vase aus der Zeit um 1200 (Obere Hauptstr. 69). Urkundlich ist Oberegg erstmals im Jahre 1173 erwähnt.

Die Herrschaft Stein erwarb im 15. Jahrhundert vom Kloster Ursberg zwei Güter auf der Oberen Egg. Im Jahre 1552 gelangten mehrere Höfe, die im Besitz des Stiftes Kempten waren, im Tausch an die Fugger. Wann das ganze Dorf an die Herren von Stein überging, ist unbekannt. Im Giltbuch der Herrschaft Stein-Ronsberg von 1596/99 sind 23 Höfe aufgeführt, im Grundbuch des Egger Gerichts von 1699 bereits 46 Beständner steuerpflichtig. Das Oberegger Groß- und Graszehentrecht wechselte im Laufe der Geschichte des öfteren seinen Besitzer. Ursprünglich besaßen die Mindelheimer Augustiner-Eremiten das Recht. Weil sie aber die Lehre Martin Luthers übernahmen, musste der Orden die Stadt verlassen (1526), und die Herren von Stein übernahmen deren Besitz in Oberegg. 1610 erbat der Egger Pfarrer Michael Schilling vom Augsburger Domkapitel aus dem Oberegger Grasgeld, "das diese innehatten", um 100 fl Zuschuss für den Neubau des Pfarrhofspeichers. Nachdem nun der Augsburger Klerus 140 Jahre lang den Großzehent bezogen hatte, verkaufte er am 4.3.1656 das Recht an die Mindelheimer Jesuiten. Mit Aufhebung des Ordens im Jahre 1773 kamen die Malteser in den Genuss des Oberegger Zehenten. Da sie es ablehnten, sich an den Baukosten des Unteregger Pfarrhofs zu beteiligen, wurde am 20.7.1793 vom Ordinariat das Zehentrecht beschlagnahmt. Nach Übernahme von zwei Dritteln der Bausumme von 3800 fl erhielt die Mindelheimer Malteser-Kommende aber bereits am 14. 9. des gleichen Jahres ihr Recht zurück. Das Jahr zuvor erwarb das Reichsstift Ottobeuren für 35 000 fl die ehemaligen Jesuitengüter in Oberegg sowie auch in den folgenden Jahren den Großzehent, den es bis 1803 bezog. Mit Aufhebung des Klosters durch den Staat wurden die Naturalrechte in Geld umgewandelt. Der gegenüber der Siedlung "Am Hang" stehende Zehentstadel wurde nach 1818 abgebrochen, das Grundstück 1829 an Gottlieb Fröhlich verkauft. Die Ablösung des Grasgeldes erfolgte am 29.5.1827, die des Großzehents am 16.11.1849.

Die Hochebene der westlichen Flur dürfte schon bei der Ortsgründung unbewaldet gewesen sein. Um etwas vor den auf dieser Höhe fast das ganze Jahr über vorherrschenden Westwinden geschützt zu sein, bauten die ersten Siedler ihre Höfe an die äußerste Hangkante zum Mindeltal. Die Bauweise mit der Giebelrichtung nach Osten ist auch heute noch vorherrschend. Die Verwaltung des Dorfes war schon in früher Zeit dreigeteilt. Neben einer mittleren' mit 30 Anwesen und einer oberen Gemeindt' (19) gab es die Hauptmannschaft Rappen (9). Nach Bildung der politischen Gemeinde 1818 änderte sich im Sprachgebrauch die mittlere in eine untere Gmeindt'. Die Vereinödung konnte 1804 in der unteren, im folgenden Jahre in der oberen Gemeinde mit der Aufteilung von 183 Tagwerk Viehweide zum Abschluss gebracht werden. Wie in Unteregg, so baute die örtliche Brauerei, der eine Schnapsbrennerei angegliedert war (beides im Jahre 1900 stillgelegt), zu dieser Zeit auf Fl.Nr. 56 Hopfen an. Unweit davon lag die gemeindliche Kohlstatt (Fl.-Nr. 294), auf der jedermann seine Kohlen brennen konnte. Im Rothmoos waren bis 1804 Grundstücke von 18 Besitzern ausgewiesen, die dem "Waasen - Aschen brennen" vorbehalten waren. Genau geregelt war das Wasserrecht an den acht öffentlichen Tränken. Der Ort zählte im Jahre 1831 347 Einwohner, davon 73 Kinder. Die landwirtschaftliche Nutzfläche bestand aus 902 Tagwerk Wiesen (davon die Hälfte einmähdig) und 1118 Tagwerk Acker. Auf 20 Jauchert wurde Flachs gebaut. Dem Feuerlöschwesen wurde ab Mitte des 19. Jahrhunderts größere Bedeutung zugedacht. 1853 waren Bestrebungen im Gange, ein gemeinsames Spritzenhaus für Ober- und Unteregg zu erstellen, dies konnte aber nicht realisiert werden. 17 Jahre später erstand dann das erste "Löschmaschinenhaus" auf der ehemaligen Hofstatt "beim Maurus", das im Jahre 1905 abgebrochen und in größerem Ausmaß neu aufgebaut wurde.

Im Jahre 1804 erfahren wir erstmals etwas von einem Schullehrer. Der Bauer Michl Schorer unterrichtete auf seiner Sölde (obere Hauptstr. 15) die Oberegger Kinder. 1807 wurde von allen drei Gemeindeteilen das Hirtenhaus (frühere Hs.Nr. 10) erworben und neun Jahre später als Schulhaus um 150 fl ausgebaut. 62 Kinder besuchten 1815 den Unterricht. 1875 wurde die Schulverweserstelle in eine Lehrerstelle umgewandelt und die Besoldung auf 600 M jährlich erhöht. Anfang der neunziger Jahre wuchs die Schülerzahl auf 83 an. Die Schule musste 1894 erneut vergrößert werden. Der Unterricht wurde in dieser Zeit im Anwesen "beim Höbel" weitergeführt. Im Jahre 1936 erfolgte eine Instandsetzung der Schulräume, im November 1956 konnte ein zweiter Schulsaal bezogen werden. Im Jahr vorher wurde das neue Lehrerhaus fertiggestellt. Bereits sieben Jahre später tauchten im Rahmen der anstehenden Schulreform Pläne auf, in Unteregg eine Schule zu bauen, in der die Kinder der umliegenden Gemeinden unterrichtet werden sollten. Es kam aber anders, Oberegg schloss sich 1969 dem Schulverband Dirlewang an. Schule und Lehrerwohnung wurden 1973 bzw. 1976 verkauft.

Den größten Aderlass an der Bevölkerung in der Geschichte des Dorfes brachte der Dreißigjährige Krieg. Fast die Hälfte der Bewohner starb an der Pest, sieben sind "im Elend zu Grund Bangen", zehn wurden von den Schweden ermordet, und neun Männer waren im Krieg. Aus den französischen Kriegen 1809/14 kehrten sieben nicht mehr zurück, darunter drei Brüder der Familie Krismer (beim Michele). Im 70er Krieg wurden 18 Burschen eingezogen, bis auf zwei kamen alle wieder heim. Große Lücken in die Einwohnerschaft rissen die beiden Weltkriege. 1914/18 blieben 16 Krieger im Feld, 1939/45 waren 14 Gefallene und sieben Vermisste zu beklagen. Auch die Zivilbevölkerung brachte im Zweiten Weltkrieg große Opfer. Für die am 1.5.1943 begonnenen Bauarbeiten an der Funkstation für Nachtjäger mussten monatelang Frondienste geleistet werden. Auch 30 russische Kriegsgefangene waren im Einsatz. Bis Frühjahr 1944 wurde an der Barackenstadt, die 1,5 km westlich des Ortes entstand, gebaut. Die alliierte Spionage bekam Wind von dieser Stellung und warf massenweise Stanniol ab, so dass die Radaranlage unwirksam wurde. Am 28.5.1944 wurde "Hinteregg" aufgegeben und der ganze Stab mit den 80 Nachrichtenhelferinnen abgezogen. Auch die Schulkinder mussten während des Krieges fehlende Arbeitskräfte ersetzen. Bereits im Sommer des zweiten Kriegsjahres wurden die Schulklassen fünf bis acht zum Flachsjäten eingesetzt. Ab 1942 stand das Pflücken von Zinnkraut, Huflattich, Thymian und anderen Kräutern für die Wehrmacht auf dem Stundenplan, ebenso das Einsammeln der Kartoffelkäfer. Am 19.6.1944 bestimmte der Bürgermeister, dass auch der Gemeinderat an der Kartoffelkäferbekämpfung mitzuwirken habe. In Ermangelung einer Sirene wurden bei Luftalarm alle drei Kapellen angeläutet. Der Einzug der Amerikaner am 27. 4. 1945 nachmittags ging ohne Widerstand vor sich.

In der Nachkriegszeit wurde hauptsächlich der Straßenbau vorangetrieben. 42 Pioniere der neugegründeten Bundeswehr begannen im Frühjahr 1959 mit dem Ausbau eines Teilstücks von der Schlottermühle bis zur Flurgrenze. Bis Mitte der 70er Jahre war die "Verkehrswüste oberes Mindeltal" vollkommen erschlossen. Für den Sportbetrieb wies die Gemeinde im Herbst 1963 ein Gelände aus. Eine rege Bautätigkeit setzte ab 1954 ein. Zu den 59 Anwesen, die bis auf 13 ausschließlich auf die Westseite der Hauptstraße gebaut waren, kamen durch Innerortsbebauung sowie der Siedlungen Am Teich und Am Hang bis heute weitere 80 Häuser dazu. Die Einwohnerzahl aber, die durch die Vertriebenen bis auf 650 im Februar 1948 angestiegen war, reduzierte sich in den vergangenen 40 Jahren wieder um 212 Personen. Das älteste Geschlecht im Dorf sind die Schwank, die in den Pfarrbüchern bereits Anfang des 17. Jahrhunderts aufgeführt sind, sowie die auf Nr. 28 Untere Hauptstraße seit 1772 ansässigen Weinalt.

Von den ursprünglich vier Kapellen steht lediglich noch das Rapper "Käppele", St. Justina und St. Zyprian geweiht. Die heutige Pfarrkirche Patrona Bavariae wurde in den Jahren 1951/52 unter großen Opfern erbaut. - Veteranen des Frankreichfeldzuges pflanzten bei ihrer Heimkehr im Jahre 1871 die Lärche im Hof der Gastwirtschaft "Engel". Auf gut 400 Jahre wird die als "Naturdenkmal" geführte "Höbel-Buche" geschätzt. An der Straße nach Unteregg an Fl.-Nr. 116 steht ein mittelalterliches Tuffsteinkreuz mit einem später aufgesetzten Eisenkreuz. Hier in der Nähe lag im Schwedenkrieg der Pestacker.

Feldbauer

Nach einem Brand im Jahre 1848 wurde das Anwesen als Einöde 1,5 km westlich des Dorfes unter einem anderen Besitzer wieder aufgebaut. Die alte Hofstatt lag im Bereich des heutigen Feuerwehrhauses.

Rappen

1410 verkaufte das Kloster Ottobeuren an den Frühmesser Conrad den Kempter zu Mindelheim ein Gütlein "gelegen auf der Egg, genannt zu dem Rappen" als rechtes Eigen. 1461 erwarben die Ritter von Stein vom Herzog von Teck das Gut Rappen. Im Dreißigjährigen Krieg (1633) wurden fünf Anwesen von den Schweden niedergebrannt und längere Zeit nicht wieder aufgebaut. Aus dieser Zeit stammt der bis heute den Älteren noch bekannte Ausdruck für den Weiler "beim Doraboscha" (Dornbusch). Der größte Hof war bis 1853 die Nr. 7, dazu gehörte eine Meilerei und eine Schmiede im Rehgarten. Nach 1821 wurde die Schmiede in das Anwesen verlegt. An gemeindlichen Einrichtungen gab es bis zum Jahre 1900 ein Waschhaus und eine Viehtränke auf Fl.-Nr. 441, ein E-Werk, das von 1922-1958 in Betrieb war, sowie der Knochenstampf an der Mindel. Bis 1623 sind die Fröhlich (Nr. 8) in Rappen zurückzuverfolgen, ebenso die Bauschmid, die seit 1710 auf Nr. 7 ansässig sind. Aus dem Anwesen "beim Melcher" stammte mütterlicherseits der Kölner Kardinal Franz Ehrle (1845-1934), aus Hs.-Nr. 6 ("beim Hengeler") gingen die Gebrüder Anwander hervor. Johann Anwander (1715-1770) war ein berühmter Frescomaler in Lauingen, der ein Jahr jüngere Franz Anton Anwander arbeitete als Fassmaler und Vergolder. Er starb 1797 in Landsberg.

Schlottermühle

Die Mühle war im 15. Jahrhundert im Besitz der Herren von Stein, nach 1803 bodenzinsig zum Rentamt Ottobeuren gehörig. Anno 1865 wurde sie völlig neu gebaut und am 1.10.1973 zusammen mit der Säge stillgelegt.

Übernommen aus der Chronik von Josef Lederle, Warmisried
(zusammengestellt von Xaver Sirch)